Aus der Triumphgasse : Lebensskizzen by Ricarda Huch

Aus der Triumphgasse : Lebensskizzen by Ricarda Huch

Autor:Ricarda Huch [Huch, Ricarda]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Diederichs
veröffentlicht: 1901-12-31T23:00:00+00:00


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Rätselhaft war das Schicksal, durch welches sie bald nachher zu Grunde ging. Es war etwas, was ich in keiner Weise begründen oder rechtfertigen könnte: es paßte nicht zu ihr und ging doch aus ihr hervor, es traf sie wie ein vom Dach fallender Ziegelstein und doch hätte man es nicht Zufall nennen können. Wie ich gesagt habe, war Antonietta seit geraumer Zeit mit einem jungen Angestellten verlobt, wie es hieß, einem tüchtigen, arbeitsamen Manne, den sie sehr liebte. Dieser nun gab ihr plötzlich den Abschied und zwar, nach seiner eigenen Angabe, weil sie zu lustig und frei mit jedermann verkehrte. Von eigentlicher Eifersucht konnte keine Rede sein, weil sie niemals einen einzelnen bevorzugt und aus ihrer Liebe zu ihrem Bräutigam kein Hehl gemacht hatte; sie war von so tadellosem Rufe, wie kaum ein anderes Mädchen in der Römerstadt. Er machte ihr auch nichts zum Vorwurf, als ihre Fröhlichkeit, recht eigentlich ihr liebliches Taubenlachen das alle Leute, die es hörten verführte, mitzulachen und ihr gut zu sein. Ihr fehle der Ernst, hatte er gesagt, ohne den ein Mädchen keine gute Frau sein könnte; die Ehe sei nicht zum Lachen, alles habe seine Zeit, und vor allen Dingen dürfe ein Mädchen nicht für jeden Beliebigen Scherz und Gelächter und gute Worte auf der Zunge haben, sie mache keinen Unterschied zwischen den Menschen und sähe ihren Mann nicht mit anderen Augen an als eine Schwalbe unter dem Dache oder einen lahmen Bettelmann unter der Kirchenthüre.

Obgleich mir das Ganze ziemlich abgeschmackt vorkam, gab ich mir doch Mühe, es zu verstehen und ich kam zu dem Urteil, solche Art der Eifersucht sei immerhin etwas Verfeinertes, das bei Leuten dieses Schlages überraschen müßte. Es war hier doch der Ansatz zu einer anderen, mehr innerlichen Liebe, die sich mit der körperlichen Treue nicht genügen lassen wollte, sondern auch das Zartere der Geliebten, ihren hellen Geist, ihr anmutiges Wohlwollen für sich allein haben wollte. Die Farfalla, der ich diese Gedanken möglichst verständlich eingekleidet, mitteilte, sah mich mit einem Lächeln an, das im Grunde ein unverhohlenes Auslachen war. Entweder, sagte sie, wäre der Bräutigam ein Mucker und Querkopf, der den Uebermut der Antonietta für Leichtfertigkeit hielte, oder es Versteckte sich hinter allen diesen Redensarten die aufs äußerste gereizte Heißblütigkeit des begierigen Mannes. Und das letztere, sagte sie, sei das wahrscheinlichere. Die Antonietta sei ein sehr ordentliches, zurückhaltendes Mädchen gewesen, wie es in jetziger Zeit kaum zu finden sei, sie hätte mit ihrem Liebhaber, so herzlich lieb er ihr wäre, vor der Hochzeit nur in erlaubter Weise verkehren wollen, und das hätte ihn so aufgebracht, daß er schließlich mit ihr gebrochen hätte. »Denn«, sagte sie, »sie waren fast ein Jahr lang miteinander versprochen, ohne daß er etwas von ihr erreicht hätte, und das ist mehr, als man von einem Manne erwarten kann. Wenn heutzutage ein Mädchen heiraten will, so muß es zuvor einen Geliebten haben, aber keiner bleibt ihr länger als einige Wochen, wenn sie seinen Willen nicht thut; das liegt in der Natur, und es hilft nichts, sich zu widersetzen.



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